Liebe Freund*innen des afrikanischen Filmfestivals Hamburg!
Zum 13. Mal präsentierten wir im Studio-Kino eine hochkarätige Auswahl von Filmen vom afrikanischen Kontinent. Zwei Sonderprogramme verlegten wir in die Zeise Kinos und ins Alabama Kino.
Nach Sichtung von knapp 100 Filmen konnte ein interessiertes Publikum beim Festival 31 Spiel- und Dokumentarfilme erleben. Mehrere Filmemacherinnen sowie Protagonistinnen reisten zur Präsentation ihrer Werke an, um mit dem Publikum über Themenwahl und die Produktionshintergründe zu diskutieren.
Das afrikanisches Kino hat in den letzten Jahren eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Die Kreativität und der Mut der Filmemacherinnen und Filmemacher haben dazu beigetragen, die Vielfalt der afrikanischen Realität in all ihren Facetten auf die Leinwand zu bringen – von urbanen Geschichten bis hin zu historischen Erzählungen, von sozialkritischen Dokumentarfilmen bis hin zu poetischen und experimentellen Werken. Sie erzählen von Herausforderungen, Träumen und Hoffnungen und schaffen dabei eine Verbindung zwischen uns allen, unabhängig von Herkunft und Sprache.
Die feierliche Eröffnung des Filmfestivals fand wie immer im Studio-Kino statt.Passend zu dem Eröffnungsfilm „Jeder liebt Touda“ vom Altmeister des marokkanischen Films Nabil Ayouch hatten wir das Künstlerpaar Hani Ibrahim an der Darabuca, einer marokkanischen Trommel, und die Bauchtänzerin Suna Storm ins Kino eingeladen. Mit einer energetischen Show brachten sie die Gäste zum Tanzen. So etwas hatte es im Kino noch nicht gegeben.
Der anschließend aufgeführte mitreißende Film „Jeder liebt Touda“ erzählt auf beeindruckende Weise, wie sich die Sängerin Touda zwischen der Leidenschaft als Künstlerin und der Rolle als Sexualobjekt in einer Männerwelt stolz behauptet.
Der Dokumentarfilm „The Great Green Wall“ lockte am nächsten Tag viele ökologisch Interessierte ins Kino. Der Film beleuchtet ein ehrgeiziges Aufforstungsprojekt der Afrikanischen Union. 8000 Kilometer quer durch die Sahelzone soll es den Menschen bessere Lebensbedingungen bieten und Migration verhindern. Die malische Sängerin und Kulturbotschafterin Inna Modja erkundet mit Musikeinlagen den Stand der Entwicklung in verschiedenen Ländern. Die Machart des Films führte zu einer lebhaften, kontroversen Diskussion.
In vielen Filmen unseres Festivals werden die schwierigen politischen und gesellschaftlichen Bedingungen der Menschen wie unter einem Brennglas abgehandelt.
Zwei Filme aus Südafrika greifen ein gesellschaftliches Tabu auf: die gleichgeschlechtliche Liebe in „Valley of Thousand Hills“ und das Thema Intersexualität in „Who I am not“, zu dem wir die Regisseurin Tünde Skovrán und die südafrikanische intersexuelle Schönheitskönigin und Aktivistin Sharon eingeladen hatten.
Als letztere erfährt, dass sie männliche Chromosomen hat, gerät sie in eine Identitätskrise und setzt sich für Menschen mit Intersexualität ein. Zwar ist in Südafrika gleichgeschlechtliche Liebe erlaubt, dennoch müssen solche Paare mit erheblichen Anfeindungen rechnen.
Menschen mit schweren körperlichen Einschränkungen stellt der guinenische Dokumentarfilm „Le courage en plus“ in den Mittelpunkt. Mit großem Selbstvertrauen haben diese Menschen eine Musik- und Tanzgruppe gegründet und wollen durch ihre Auftritte Vorurteile in der Bevölkerung abbauen und sich vom Betteln auf der Straße unabhängig machen. Der Regisseur Billy Touré aus Guinea erläuterte beim Filmgespräch, wie er Kontakt zu diesen Menschen und Vertrauen bei ihnen gefunden hat.
Das Thema IS in Libyen und Syrien ist ein immer wiederkehrendes Thema auf unserem Festival. Die beiden Filme „Olafs Töchter“ und „Who do I belong to“ aus Tunesien behandeln in eindringlichen Geschichten und Inszenierungen, wie Jugendliche aus sehr traditionellen und strengen Familienstrukturen als eine Art Rebellion sich dem IS anschließen, um den strengen Familienregeln zu entfliehen. Welches Leid auf beiden Seiten entsteht, zeigen die beiden Filme in dramatischer Weise auf.
Olgas Töchter von Kaouther Ben Hania
Who do I belong to von Maryam Jobber
Intime Eindrücke in das dörfliche Leben im Sahel gibt der Dokumentarfilm „Choose me – Amchilini“. In einer traditionellen Zeremonie sollen alle Mädchen über achtzehn einen Ehemann aus dem Dorf wählen und heiraten. Dass das nicht immer den Vorstellungen der jungen Generation entspricht, erklärte uns der tschadische Filmemacher Allamine Kader Kora im Nachgespräch.
Der madagassische Regisseur Luck Razanajaona war nach der Präsentation seines Filmes „Disco Afrika“ live aus Madagaskar zugeschaltet und gab uns ergänzende Einblicke in die politische und gesellschaftliche Situation seines Landes, die alles andere als rosig ist. Trotz vieler Widerstandskämpfe der älteren Generationen ist das Land weiterhin von Korruption und Bereicherung der Eliten durchzogen.
Der Film „Free Money“ dokumentiert ein amerikanisches Experiment in Kenia.
In einem Dorf erhält eine kleine Gruppe der Bewohner*innen ein bedingungslosen Grundeinkommen für 12 Jahre. Projektziel der reichen Financiers ist es, auf diese Weise Armut abzuschaffen.
Im Anschluss an die Vorführung des Films gab es heftige Diskussionen mit dem Regisseur Sam Soko und auch unter den Anwesenden. Als ziemlich übereinstimmende Einschätzung zeigte sich, dass NGO’s, die von außen in das Leben der Menschen eingreifen – wenn auch mit guter Absicht -, nicht die grundsätzlichen Probleme von Armut lösen, denn die Regierung des Landes steht in der Verantwortung.
Ein Film mit einem außergewöhnlichen Thema ist „Grasshopper Republic“ von Daniel McCabe, eine Langzeitdokumentation über die Heuschreckenernte in Uganda. Das Filmteam begleitete die aufwendigen Vorbereitungen für dieses Unterfangen. Der nahende Schwarm wird mit grellem Licht angelockt, durch präparierte Trichter in Fässer geleitet und anschließend säckeweise zum Verkauf auf den Markt transportiert.
Der Regisseur McCabe war aus den USA live zugeschaltet und erzählte von den mühsamen und gesundheitsgefährdenden Fangprozessen und Dreharbeiten zu der Dokumentation.
Sehr spannend war das Nachgespräch zu dem Dokumentarfilm „Theatre of Violence“. Der Film verfolgt in Uganda die hinterlassenen Spuren von Dominic Ongwen, der als Achtjähriger von der ugandischen Lord’s Resistance Army entführt worden war und später als „christlicher Gotteskrieger“ viele Gräueltaten verübte. Nach seiner Verhaftung wurde er vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angeklagt und zu einer langen Haftstrafe verurteilt.
Wir hatten den Strafverteidiger von Ongwen, Krispus Odongo eingeladen. Zur Diskussion stand: Ist Ongwen Opfer oder Täter oder beides? Wie kann ein fairer Prozess in einem europäischen Land aussehen? Odongo versuchte, eine eher afrikanische Sichtweise in ihrer Tradition dem Publikum näher zu bringen. Sie besagt, dass jeder Mensch noch ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft werden könne und ein europäisches Gerichtsverfahren eine Anmaßung sei.
Zwei spannungsgeladene und filmisch ausgefeilte Spielfilme „The Mother of All Lies“ aus Marokko und „Goddbye Julia“ aus dem Sudan loten komplizierte Familienverhältnisse aus und greifen politische und soziale Konflikte in den Ländern auf.
Voll wurde der Kinosaal am letzten Abend mit dem Dokumentarfilm „Togoland Projektionen“ des deutschen Regisseurs Jürgen Ellinghaus. Wenig bekannt ist hierzulande die deutsche Kolonialgeschichte. Ellinghaus reiste mit alten Dokumentaraufnahmen des Hamburger Regisseurs Hans Schomburgk, die dieser vor dem ersten Weltkrieg in der deutschen Kolonie gemacht hatte, an die Originalschauplätze in Togo. Dort führte er Filmausschnitte vor und wollte von den einheimischen Zuschauer*innen wissen, was aus diesen alten Zeiten überliefert worden ist. Die historischen Aufnahmen gaben besonders für die Jugendlichen einen unbekannten Einblick in die Lebensweise der eigenen Vorfahren und in die koloniale Berichterstattung über ihr Land.
Das Festival endete im Studio-Kino mit dem mystischen Film „Bravo, Burkina!“ des nigerianischen Regisseurs und Designers Walé Oyejidé. Der Film zeigt in lyrisch träumerischer Manier die inneren Konflikte eines Migranten, den trotz großer Anerkennung als geschickter Handwerker in seiner neuen Heimat Italien die Erinnerungen an das Dorf seiner Kindheit und Familien Träumen verfolgen. So begibt er sich auf die Suche nach einem Weg, um zurückzugewinnen, was er einst verloren hat.
Zwei Sonderprogramme lockten jeweils über hundert Besucher*innen in die Kinos.
In den Zeise Kinos zeigten wir den außergewöhnlich gemachten Film „Soundtrack of a Coup d’Etat“ des belgischen Regisseurs Johan Grimonprez. Dieser erzählt in einer berauschenden Montage die Geschichte des von der CIA und dem belgischen Königshaus unterstützten Staatsstreiches, der kurz nach der Unabhängigkeit des Kongos zur Ermordung des ersten gewählten Präsidenten Patris Lumumba führte. Dies verknüpft Grimonprez auf geniale Weise mit der Musik und der Rolle der Jazzgrößen der frühen 60er Jahre, die als Jazzbotschafter von der US-Regierung in afrikanische Länder entsandt wurden, um ein positives Bild von Amerika in der Zeit des Kalten Krieges zu vermitteln.
Der Journalist Bastian Berbner von der Zeit beantwortete im Anschluss kompetent die vielen Fragen zur Unabhängigkeitsbewegung im Kongo, derweil der Festivalmacher Hans-Jörg Heinrich zur Rolle der Jazzmusiker referierte.
Am Ende des Festivals wurden die Gewinner des Publikumspreises verkündet.
In der Kategorie Dokumentarfilm:
„Soundtrack of a Coup d’Etat“ Regie: Johan Grimonprez, Belgien.
In der Kategorie Spielfilm:
“Goddbye Julia“ Regie: Mohamed Kordofani, Sudan
Im Alabama Kino gab es ein Doppelprogramm mit Film und Livemusik. Mit der Dokumentation „Famoudou Konaté – The King of Djembé“ wird der Altmeister der Malinke Musik aus Guinea für sein Lebenswerk geehrt. 26 Jahre lang fungierte er als erster Djembéfola im weltberühmten „Les Ballets Africaines“ und tourte damit durch die ganze Welt.
Der brasilianische Filmemacher André Piruka Ricardo begleitete Konaté in seinem Heimatdorf Sangbarala zwei Monate. Dabei unterstützte ihn Famoudous Sohn Billy Konaté.
Nach dem Film eröffneten Billy Konate mit Freunden ein Feuerwerk von Trommelrhythmen, ergänzt durch weitere Instrumente wie Kora, Ballafon und Gongoma, alles typische Instrumente aus Guinea. Das ließ natürlich einige anwesende professionelle Tänzerinnen nicht ruhen und so gab es wilde Tanzeinlagen, bei denen sich die Trommler und Tänzerinnen gegenseitig hochschaukelten.
Fazit
Wir bekamen auch bei unserem 13. Filmfestival erneut von den Zuschauerinnen vermittelt, dass wir mit unserem afrikanischen Filmfestival AUGEN BLICKE AFRIKA eine große Lücke im Filmangebot der Stadt und Umgebung schließen. Gelobt wurde immer wieder die Vielfalt unserer Filmauswahl und die hohe Qualität der Filme.
Unser Wunsch ist es, auch die afrikanische Diaspora in Hamburg vermehrt für unser Festival zu interessieren. Deshalb haben wir uns sehr gefreut, dass Vertreterinnen des tunesischen Konsulats unserer Einladung gefolgt sind und Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft sich aktiv bei einem Filmgespräch eingebracht haben.
Mit dem Afrika-Asien-Institut der Universität Hamburg sind wir seit Jahren verbunden und können die fachliche Kompetenz von Dozentinnen für Filmgespräche nutzen, aber auch Studierende begrüßen.
Schülerinnen des Filmclubs am Deutsch-Französischen Gymnasium haben zum dritten Mal die Gelegenheit genutzt, einige unserer Gastregisseure zu interviewen, um einen kleinen Beitrag über den afrikanischen Film und unser Festival für ihre Mitschülerinnen zu erstellen. Wir haben unser Programm auch wieder im Frühcafe von HH1 vorgestellt sowie bei Noa4 Redaktion aus Norderstedt.
Vor oder nach den Filmen konnten sich die Zuschauerinnen und Filmschaffende im „Möhrchen“ nebenan
bei hervorragender Guineischer Küche und importieren afrikanischen Bieren weiter austauschen und den Abend genießen.
In diesem Jahr hatten wir 1.247 Besucher*innen, eine erfreuliche Zahl, die sich nach Corona eingependelt hat, zumal alle Kinos stark rückgängige Zahlen verzeichnen.
Bis zum nächsten Jahr!!