Nachlese 2020

Liebe Freund*innen des afrikanischen Filmfestivals

AUGEN BLICKE AFRIKA.

Nach vier Tagen hat unser Festival aufgrund des erneuten Lockdowns ein vorzeitiges Ende finden müssen. Die Schließung aller kulturellen Veranstaltungsorte erfordert große Solidarität mit der der ganzen Branche: mit Kino- und Konzertbetreiber*innen, mit Filmemacher*innen und Musiker*innen und mit allen, die viel Zeit und Ressourcen in die Umsetzung von präventiven Maßnahmen gesteckt haben. Auch wir als Festivalbetreiber haben Solidaritätsmails zum Weitermachen bekommen.

Leider mussten wir allen angekündigten Regisseur*innen eine Absage erteilen,
schon gebuchte Flüge streichen und auch auf unsere geliebte Abschlussparty mit
afrikanischer Musik verzichten. Auch konnten die drei Tage mit VR-Filmen in der
Bücherhalle Altona nicht stattfinden.

Trotz der schwierigen Situation sind wir mit Elan in die verbleibenden vier Tage unseres
Festivals eingetaucht. Zwei der Filme waren ausverkauft und auch die anderen
gut besucht. Die Atmosphäre war heiter und nach jedem Film fand wie immer eine spannende Diskussion im Kinosaal statt. Aufgrund des guten Hygienekonzepts des Kinos gab es keinerlei Schwierigkeiten weder beim Einlass noch im Saal.

Wegen der vorgegebenen begrenzten Zuschauerzahl zeigten wir den Eröffnungsfilm
zweimal hintereinander. Mit einem Glas Wein am Platz konnten sich die Gäste
mit wunderschöner Kora- und Gitarrenmusik des Duos Samba Ndiaye und
Gottfried Koch in die Festivaltage einstimmen.

Der Eröffnungsfilm „You Will Die At Twenty“ vom sudanesischen Filmemacher
Amjad Abu Alala hatte ein nahezu ausverkauftes Kino. Der Film bestach durch seine
beeindruckenden Bilder, die Schauspielern und den Plot.

Der Dokumentarfilm „Systeme K“ aus der D.R. Kongo hatte ein ausverkauftes Haus und wurde anschließend intensiv vom anwesenden Publikum diskutiert. Hervorgehoben wurde der oft physisch-körperliche Einsatz der Künstler*innen auf den Straßen der 20 Millionen Stadt Kinshasa, was zuweilen zu Verhaftungen oder Abbruch bei ihren Kunstaktionen führte.

Es wurde vom Publikum der Mut dieser Künstler bewundert und die Erkenntnis
gewonnen, dass diese Art des künstlerischen Schaffens nur aus den dortigen Lebensumständen heraus entstehen kann.

Der Film „Fig Tree“ greift ein wenig bekanntes Kapitel der in Äthiopien lebenden Juden auf, die aufgrund zunehmender Verfolgung in den 1980-er Jahren nach Israel emigrieren wollten.
Die Geschichte der Vertreibung fließt ein in eine Liebesgeschichte zwischen einer jungen Jüdin und einem jungen Christen, die tragisch endet.

In den drei hervorragend produzierten nordafrikanischen Filmen „A Son“,
„Sofia“ und „South Terminal“ geht es um soziale und ethische Konflikte, die in
diesen Gesellschaften in den letzten Jahren heftig ausgetragen werden. Immer
wieder wurde das hohe Niveau der Kameraführung und der Schauspieler von Zuschauern betont.

Die beiden Psychodramen „Lusala“ aus Kenia und „Desranges“ aus Burkina
Faso waren für manche eine harte Kost, bestachen aber mit den hervorragenden
Schauspielern und der spannungsgeladenen Handlung.

In künstlerisch beindruckenden Montagen sowohl auf visueller als auch audiophoner
Ebene erzählten der Dokumentarfilm „The Sound of Masks“ aus Mosambik
und die Kurzfilme zweier kongolesischer Filmemacher über alte und neue Gesellschaftsbilder ihrer Heimat.

Der in Belgien lebende vielseitige Künstler „Balodji“ konnte leider aufgrund der
Pandemie nicht einreisen. Umso mehr diskutierte das Publikum unter sich die
kunstvoll verschlüsselten Botschaften über den kolonialen Blick, die digitale Gegenwart des Smartphones, die Macht des Fernsehens und die Praxis des Hautbleichens. Mit dem Film Zombies schuf Baloji ein Manifest über das zeitgenössische Bedürfnis, immer verbunden und immer “on” zu sein.

 

Wir haben in diesem Jahr erstmalig einen Publikumspreis vergeben, der an den Dokumentarfilm „The Golden Wolf of Balolé“ der burkinischen Filmemacherin Chloe Aïcha Boro ging.
Ganz knapp dahinter lagen die Filme „Fig Tree“ aus Äthiopien von Aäläm-Wärge Davidian und der Dokumentarfilm “Systeme K“.

Der Film spielt im Herzen von Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, in
einem Granitsteinbruch, in dem fast 2.500 Menschen, Erwachsene und Kinder, unter
härtesten Bedingungen schuften. Nach der Vertreibung des langjährigen Präsidenten
Blaise Compaoré im Jahre 2014 fassen auch die Menschen im Steinbruch Mut und wollen ihre ausbeuterischen Arbeitgeber nicht länger akzeptieren. Sie organisieren sich und bauen einen eigenen Vertrieb auf, der mehr Einnahmen verspricht.

Beispielhaft zitiere ich aus den Rückmails einiger Zuschauer: „Es war kurz, aber irgendwie auch ganz toll. So eine entspannte Atmosphäre, super spannende Diskussionen, gut moderiert und mit vielen klugen Beiträgen von allen Seiten.“

Was bleibt. Alte Plakate und der Herbst.